Bericht über die Exkursion der TBG am 20.07.2013: „Magerrasen in der Windleite bei Sondershausen“ (MTB-VQ: 4631/31, 4632/24+42)

 

Text und Fotos Peter Rode (Stadtroda)

 

Im Zuge der Hebung des Kyffhäusergebirges im Tertiär kam es zur Anhebung der Trias-Schichten des Thüringer Beckens an dessen Nordrand. Entsprechend ihres geologischen Alters liegen die Buntsandsteinschichten als älteste Triasschicht am nächsten am Gebirgsrand. So liegt südlich der Goldenen Aue und des Kyffhäusergebirges die Windleite nördlich und nordöstlich von Sondershausen; nach Süden folgt der jüngere Muschelkalkhöhenzug der Hainleite. Später hat sich der Flußlauf der im Untereichsfeld im Stadtgebiet von Worbis entspringenden Wipper ein eindrucksvolles Durchbruchstal durch diese beiden Höhenzüge geschaffen.

Die Windleite stellt einen Buntsandstein-Höhenzug dar, dessen Flora sich durch die Lage am Nordrand des Thüringer Beckens deutlich von den Buntsandsteingebieten Ostthüringens unterscheidet (s.u.). Die höchste Erhebung der Windleite ist der Zimmerberg nordöstlich von Sondershausen mit 374,4 m. Im Exkursionsgebiet steht der Mittlere Buntsandstein an, der hier überwiegend rot gefärbt ist.

Der Ausgangspunkt der Exkursion, Göllingen, hat eine lange und interessante Geschichte. Bereits in karolingischer Zeit verfügte die Reichsabtei (Kloster) Hersfeld hier über Besitzungen, worüber im sogenannten Breviarium Lulli, einem Güterverzeichnis der Abtei aus dem 8. Jahrhundert unter seinem Abt (und späterem Erzbischof von Mainz) Lull[us], berichtet wird. Um die Jahrtausendwende muß in Göllingen bereits ein Kloster bestanden haben, denn 1005 stiftete der später als „Günther der Eremit“ oder „der Heilige“ bezeichnete Günther (ein Ahnherr der späteren Käfern- und Schwarzburger) der Benediktinerpropstei Göllingen zahlreiche Güter. Das Kloster, welches sich nie aus der Vorherrschaft Hersfelds lösen konnten, wurde im Bauernkrieg schwer beschädigt, bestand danach aber noch bis 1606 und ging mit Hersfeld nach dem Westfälischen Frieden 1648 als landwirtschaftliche Domäne an die Landgrafschaft Hessen-Kassel über. Erst 1816 wurde es schwarzburg-rudolstädtisch. Von den ursprünglichen Klostergebäuden sind nur wenige Reste erhalten. Alle folgenden Zeiten haben sich der Gebäude als Steinbruch bedient (zuletzt wurde nach 1945 eine Konservenfabrik errichtet), so daß nur wenige romanische Baureste bis in unsere Zeit überdauert haben. Der noch vorhandene Turm (im 13. Jahrhundert über dem Westchor der Kirche errichtet) über einer älteren Krypta sowie Reste der östlichen Apsis lassen aber die einstige Größe der Anlage erkennen.

Der Ort Hachelbich, auf dessen Flur sich das Naturschutzgebiet „Gatterberge“ befindet, gehörte dagegen zu Schwarzburg-Sondershausen.

 

Am 20.07.2013 trafen sich 13 Exkursionsteilnehmer (darunter Gäste aus Sachsen und Sachsen-Anhalt) am Bahnhof Göllingen (an der 2006 stillgelegten Eisenbahnlinie Sondershausen-Bretleben).

Nach einführenden Worten von Dr. Jürgen Pusch (Bad Frankenhausen) zum Exkursionsgebiet und den vorkommenden Arten ging es zunächst ein Stück auf der als Radweg umgebauten ehemaligen Straße nach Hachelbich.  Nach knapp 500 m ging es weiter auf einem nach Norden zum Rettenberg ansteigenden, unbefestigten Feldweg bergan. An dessen Wegrändern war eine bunte Vielfalt an Pflanzenarten zu sehen, darunter Arten wie Kleiner Odermennig (Agrimonia eupatoria), Sichelmöhre (Falcaria vulgaris), Echtes Labkraut (Galium verum) und Wald-Klee (Trifolium alpestre),  die dem ostthüringischen Buntsandsteingebiet weitgehend fehlen und auf den wärmeliebenden und kontinentalen Charakter der Windleite hinweisen. Auf dem Weg und an dessen Rand stand in großer Zahl das Knollige Lieschgras (Phleum bertolonii oder Ph. pratense ssp. nodosum), das eigentlich an der verdickten Halmbasis recht gut kenntlich ist, aber wohl oft nicht kartiert wurde. An einer Wegbiegung stand – leider schon völlig vertrocknet – der Streifen-Klee (Trifolium striatum), eine Art, die im nordthüringischen Buntsandsteinland einen ihrer thüringischen Verbreitungsschwerpunkte aufweist. Als ganz große Besonderheit zeigte Dr. Pusch den Zweifelhaften Grannenhafer (Ventenata dubia) – hier an seinem einzigen derzeit bekannten Fundort in Thüringen! Er berichtete über die Geschichte des Fundortes: Nachweise lagen bereits aus dem 19. Jahrhundert für diesen Bereich vor; in den 1950er und 1980er Jahren konnte der Rostocker Botaniker  Joe Duty, der mehrfach in Bad Frankenhausen zur Kur weilte (Barthel & Pusch 2005) den Grannenhafer an dieser Stelle finden (Belege im Herbarium Haussknecht). Aus neuerer Zeit lag ein Fund von Korsch (1997) vor – s.a. Barthel & Pusch (1999). Ventenata dubia kam früher mehrfach an Wegrändern und offenen Sand-Magerrasen vor; besonders wichtig ist der Erhalt der dazu nötigen Strukturen an dem Wegrand am Rettenberg (keine Wegebefestigung, Erhalt der Offenstellen am Wegrand durch Beweidung).

Auf einer etwas ruderalen, mageren Rinderweide auf dem Rettenberg waren Reste des Großen Knorpellattichs (Chondrilla juncea) zu sehen. Auch diese, in Thüringen stark gefährdete Art hat mittlerweile ihren Verbreitungsschwerpunkt innerhalb Thüringens am Nordrand des Thüringer Beckens.

Über teils stark verbuschte, wärmegetönte Abhänge ging es abwärts ins Mark(t)tal. Am Rand eines Birkenwäldchens standen – zusammen mit der Pfirsichblättrigen Glockenblume (Campanula persicifolia) – wenige Exemplare der Weißen Waldhyazinthe (Platanthera bifolia). Diese Art besitzt in Thüringen ihren Verbreitungsschwerpunkt im Muschelkalkgebiet; Vorkommen in bodensauren Magerrasen oder Gebüschen sind sehr selten geworden.

Am Rande einer Rinderweide folgte nun ein steiler und unwegsamer Anstieg auf den Bendeleber Berg (um 290 m hoch), wo es auf einem mit alten Kirschbäumen gesäumten Feldweg (an dessen Rand die Rispen-Flockenblume, Centaurea stoebe, und nochmals Trifolium striatum gefunden wurden) nach Westen zum Naturschutzgebiet (NSG) „Gatterberge“ ging. Dort wurde am Rand einer Kirsch-Streuobstwiese gerastet wurde.

Das eigentliche NSG, das aus thermophilen Eichen-Mischwäldern und Säumen mit eingestreuten Offenflächen (Sandmagerrasen und Halbtrockenrasen: noch immer mit reichlich Peucedanum officinale) besteht, wurde heute nicht aufgesucht, wohl aber der Rand eines (bereits abgeernteten) Ackers. Hier wurde eine Reihe seltener und gefährdeter Arten gesehen, darunter Grannen-Ruchgras (Anthoxanthum aristatum), Gelbliches Filzkraut (Filago lutescens), Nelken-Haferschmiele (Aira caryophyllea), Gewöhnlicher Ackerfrauenmantel (Aphanes arvensis) und Einjähriges Knäuel (Scleranthus annuus). Im Übergangsbereich zu den Magerrasen bzw. lichten Eichenwäldern standen Berg-Sandglöckchen (Jasione montana) und Kartäuser-Nelke (Dianthus carthusianorum).

Der Neophyt (seit etwa 1850 in Deutschland) Anthoxanthum aristatum steht hier an seinem wohl einzigen aktuellen Standort in Thüringen. Im gesamten Norddeutschland ist es auf Äckern durchaus verbreitet, wird aber nach Süden schnell seltener. Es ist eine Charakterart der Lämmersalat-Äcker (Ackergesellschaften basenarmer, saurer Sandböden) und ist nach Ellenberg ein Starksäure- bis Säurezeiger (Reaktionszahl 2!) und zeigt stickstoffarme Verhältnisse an (Stickstoffzahl 3). Aufgrund seines Status als „eingebürgerter Neophyt“ ist es nicht in der Roten Liste Thüringens enthalten.

Auf dem Rückweg waren am Rand des Radweges noch größere Bestände der Siegmarswurz (Malva alcea) zu sehen.

Wir waren überrascht, wie viele bemerkenswerte Arten zu diesem späten Exkursionstermin noch zu sehen waren. Besten Dank an Dr. Jürgen Pusch für die – wie immer – gut vorbereitete und interessante Exkursion!

 

 

Verwendete Literatur:

 

Geschichte, Geologie

Apfelstedt, H. F. T. (1854): Heimathskunde für die Bewohner des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen. – Sondershausen: F. A. Eupel, 215 S.

Dehio, G. (1998): Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Thüringen. – München, Berlin: Deutscher Kunstverl., 1467 S.

Kronfeld, J. C. (1990): Heimathskunde von Thüringen und dessen nächster Umgebung. – Arnstadt: Verl. G. & M. Donhof, 496 S. (Neuaufl. der Ausgabe von 1861).

Patze, H. (Hrsg., 1989): Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. 9. Band: Thüringen. 2. Aufl. -  Stuttgart: Alfred Kröner Verl., 592 S.

Rothe, P. (2005): Die Geologie Deutschlands. 48 Landschaften im Portrait. – Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 240 S.

Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (Hrsg., 2005): Kloster St. Wigbert Göllingen. Faltblatt.

Wagenbreth, O. & W. Steiner (1985): Geologische Streifzüge. Landschafts- und Erdgeschichte zwischen Kap Arkona und Fichtelberg. 2. Aufl. – Leipzig: VEB Deutscher Verl. für Grundstoffindustrie, 204 S.

 

Botanik, Naturschutz:

Barthel, K.-J. & J. Pusch (1999): Flora des Kyffhäusers und der näheren Umgebung. – Jena: Ahorn-Verl., 465 S.

Barthel, K.-J. & J. Pusch (2005): Die Botaniker des Kyffhäusergebietes. Ein Beitrag zur Geschichte der floristischen Erfassung Nord-Thüringens und Südwest-Sachsen-Anhalts. – Jena: Weissdorn-Verl., 390 S.

Korsch, H. (1999): Kleiner Beitrag zur Flora von Thüringen (3). – Inform. Florist. Kartierung Thüringen 13: 14–18.

Korsch, H., W. Westhus & H.-J. Zündorf (2002): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Thüringens. – Jena: Weissdorn-Verl., 419 S.

Wenzel, H., W. Westhus, F. Fritzlar, R. Haupt & W. Hiekel (2012):  Die Naturschutzgebiete Thüringens. – Jena: Weissdorn-Verl., S. 602–603.

Zündorf, H.-J., K.-F. Günther, H. Korsch & W. Westhus (2006): Flora von Thüringen. – Jena: Weissdorn- Verl. – 764 S.